Klimaveränderungen und Überfischung dezimierten Ostseehering lange vor der Industrialisierung

Der Zusammenbruch der Sundfischerei in der westlichen Ostsee Ende des 16. Jahrhunderts war die Folge von Überfischung und einer rapiden Veränderung des Klimas – ähnliche Bedingungen wie sie auch heute vorherrschen. Ein Team aus Historikern sowie Fischereiökonomen und Biologen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig hat die Entwicklung der Heringsfischerei in der Ostsee zwischen 1200 und 1650 rekonstruiert. Demnach kollabierte die damals wichtigste Fischerei auf den herbstlaichenden Hering in den 1580er Jahren innerhalb kürzester Zeit, ohne sich bis heute erholen zu können. Die Forscher erkennen darin Parallelen zur aktuellen Entwicklung kommerziell genutzter Fischbestände in der westlichen Ostsee. [...]

Mehr als ein Drittel der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände gilt als überfischt oder von Überfischung bedroht. Für Deutschland meldeten erst diesen Sommer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter auch der Universitäten Hamburg, Kiel und Leipzig, dass der Dorschbestand, in der westlichen Ostsee einen Kipppunkt erreicht hat, dessen Überschreitung vermutlich kaum rückgängig zu machen sein wird. Beim Dorsch spielt der Klimawandel nachweislich eine entscheidende Rolle. Mit den steigenden Temperaturen sinkt seine Fortpflanzungsfähigkeit. Und auch der Hering in der westlichen Ostsee hat so niedrige Bestände, dass derzeit eine anhaltende Befischung aus Expertensicht weder lukrativ noch nachhaltig möglich ist.

In einer neuen Untersuchung konnten die Forscher anhand historischer Quellen wie etwa Zollbücher der Hansestadt Lübeck und anderer Städte zeigen, dass das Zusammenspiel aus negativen Umwelteinflüssen und Überfischung bereits in der frühen Neuzeit den Heringsbestand in der westlichen Ostsee dezimiert hatte. Mitte des 16. Jahrhunderts sanken die Durchschnittstemperaturen der Ostsee insgesamt um 0,85 Grad Celsius. Als Folge verringerte sich die Produktivität der Heringsbestände, da die Jungfische nicht überlebten. Der herbstlaichende Hering, die bis dahin dominierende Heringsunterart in der westlichen Ostsee, verschwand fast vollständig und mit ihm die dortige Heringsfischerei.

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Für ihre Analyse stützten sich die Wissenschaftler auf Informationen aus historischen Quellen, die ihnen vor allem indirekt Hinweise auf die Fischbestände im Zeitraum der Jahre von 1200 bis 1650 lieferten. So analysierten sie mittelalterliche Literatur, um Daten wie etwa zur Produktion von Salz, das zur Konservierung von Salzheringen, einer beliebten Handelsware, gebraucht wurde, zusammenzutragen. Die Menge der Salzproduktion gab den Forschern entscheidende Anhaltspunkte für die damaligen Fangmengen.  

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Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Bundesforschungsministeriums BMBF geförderten Projektes marEEshift „Marine ecological-economic systems in the Western Baltic Sea and beyond: Shifting the baseline to a regime of sustainability“, das am iDiv koordiniert wird. In Zusammenarbeit mit den Beteiligten sollen Maßnahmen, Institutionen und Prozesse identifiziert und initiiert werden, die ein sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltiges System der Nutzung von Meeresressourcen fördern könnten.

(PM CAU Kiel, gekürzt)

Weitere Informationen unter uni-kiel.de


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