Klimawandel fördert Ausbreitung von Vibrionen: IOW-Studie zeigt globale Verbreitungsmuster
Als „Vibrionen“ bezeichnet man alle Bakterien der Gattung Vibrio. Sie treten im offenen Meer auf und kommen auch in Küsten-, Brack- und Süßgewässern sowie in Gewässersedimenten vor. Man kennt gut 150 verschiedene Arten, von denen etwa 10 % pathogen sind und Infektionen bei Menschen, Fischen oder Muscheln verursachen. Zu diesen zählt auch Vibrio vulnificus, der allein durch Wasserkontakt im schlimmsten Fall bis zu einer Sepsis mit tödlichem Ausgang führen kann.
Um zu klären, welche Umweltfaktoren für die Verbreitungsmuster von V. vulnificus entscheidend sind, analysierte ein IOW-Forschungsteam um den Meeresmikrobiologen Matthias Labrenz und die Bioinformatikerin Christiane Hassenrück mehr als 70.000 Umwelt-DNA-Datensätze aus marinen Küstengewässern. Diese wurden über die letzten 10 Jahre weltweit zwischen 78° Süd und 83° Nord aus Wasserproben gewonnen und sind auf öffentlichen Sequenzdatenarchiven frei verfügbar.
Vibrionen-Hotspots und auffällige Verschiebung des Auftretens nach Norden
Die Auswertungen zeigen, dass Vibrio vulnificus nahezu weltweit verbreitet ist – von tropischen Küstenregionen bis hin zur südlichen Ostsee. Hotspots mit besonders hohen relativen Häufigkeiten liegen vor allem in den Tropen, wo 45 % aller Nachweise registriert wurden. Auch an der US-Ostküste, in Ostasien sowie in der südlichen Ostsee wurden Hotspots festgestellt. Auffällig ist ein Trend in Richtung höherer Breiten: In nahezu jedem Jahr zwischen 2013 und 2021 nahm die Zahl der Nachweise in nördlichen Regionen zu – ein Indiz dafür, dass steigende Meerestemperaturen die Ausbreitung nach Norden beschleunigen.
Was beeinflusst das Auftreten von Vibrio vulnificus und kann man es vorhersagen?
Um zu analysieren, welche Umweltfaktoren einen wesentlichen Einfluss auf das Auftreten von V. vulnificus haben, kombinierte das IOW-Team die Sequenzdatenanalyse mit Satellitendaten zu Wassertemperatur, Salzgehalt, Strömungen und Chlorophyllkonzentrationen. Mithilfe maschineller Lernverfahren, die sehr große Datenmengen bewältigen können, identifizierten die Forschenden die folgenden Parameter als die wichtigsten Einflussgrößen auf die relative Häufigkeit des Erregers:
• Die Wassertemperatur an der Meeresoberfläche erwies sich als Faktor mit dem stärksten, statistisch belegten Einfluss. V. vulnificus wurde fast nur in Gewässern nachgewiesen, die wärmer als 15 °C waren (zu 99 %); höhere Temperaturen begünstigen verstärktes Auftreten.
• Das Auftreten von Phytoplankton-Blüten und ihr Zerfall erwiesen sich als indirekter Verstärkungsfaktor, da die dabei freigesetzten Nährstoffe das Wachstum von V. vulnificus fördern.
• Der Salzgehalt spielt ebenfalls eine wichtige Rolle für die Verbreitung von V. vulnificus: Die Bakterien traten zwar in einem breiten Bereich zwischen 4,3 und 39,8 ‰ auf, besonders häufig aber bei mittleren Salzgehalten von 5 – 20 ‰, wie es für die Ostsee typisch ist.
• Geringe Strömungsgeschwindigkeiten (≤ 0,5 m/s) waren mit Nachweisen höherer relativer Häufigkeiten von V. vulnificus verbunden, während schnelle Strömungen (≥ 1 m/s) ein Auftreten offenbar eher verhinderten.
Unter Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren entwickelten die Forschenden ein Modell, mit dessen Hilfe verstärktes Auftreten von V. vulnificus vorhergesagt und damit Hochrisikogebiete identifiziert
werden können. Zur Validierung nutzten sie unter anderem Messwerte aus der Ostsee zusammen mit Infektionsstatistiken aus den Ostsee-Anrainerstaaten. Das Modell erwies sich als aussagekräftig und insbesondere deckten sich die vorhergesagten Hochrisikogebiete mit den in Schweden und Deutschland dokumentierten Vibrio-Infektionsfällen.
Klima- und Demographiewandel verstärken Infektionsrisiko
Da Vibrio vulnificus natürlicher Bestandteil von Meeresplankton ist, kommen Menschen regelmäßig mit dem Erreger in Kontakt. Er kann beim Baden schon über kleinste Wunden in den Körper eindringen und auch über kontaminierte Meeresfrüchte Infektionen auslösen. In der Regel verhindert die köpereigene Immunabwehr jedoch eine ernsthafte Erkrankung; aber Ältere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind besonders gefährdet. Bleibt eine sich ausbreitende Infektion unbehandelt, verläuft sie oft rapide und schwer: Bis zu 50 % der Erkrankten sterben, ein Zehntel kann nur durch Amputation gerettet werden. Rechtzeitig erkannt, ist die Erkrankung jedoch gut mit Antibiotika behandelbar. [...]
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(PM IOW, gek.)
Weitere Informationen unter io-warnemuende.de
Originalpublikation: Riedinger, D.J., Hassenrück, C., Herlemann, D. & Labrenz, M. (2025): Global distribution and predictive modeling of Vibrio vulnificus abundance. Communications Earth & Environment, 6: 210. DOI: doi.org/10.1038/s43247-025-02182-8 Link